Wolf Schneider über geschlechter-gerechte Sprache: Ich habe ihr öffentlich den Krieg erklärt

Geschrieben am 8. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Beim LUTHER DISPUT der Thüringer Allgemeine stritten Wolf Schneider und Pfarrer Felix Leibrock aus Thüringen über die geschlechter-gerechte Sprache:

Wolf Schneider: Ich habe dieser Sprache öffentlich den Krieg erklärt. Ich polemisiere dagegen, wo es nur geht. Ich finde sie Schwachsinn, von Alice Schwarzer durchgesetzter und von Gewerkschaften betriebener und von Betriebsräten, Politikern und leider auch Theologen übernommener Schwachsinn. (weiblicher Applaus, aber nicht die Mehrheit)
Dazu muss ich sagen: Diese Sprache geht von der törichten Vorstellung aus, das natürliche Geschlecht habe etwas mit dem grammatischen Geschlecht irgendetwas zu tun.
Nein! Bekanntlich heißt es „das Weib“, das ist schon ein Skandal; es heißt „der Löwe“, aber: „das Pferd“ und „die Schlange“. Das grammatische und das natürliche Geschlecht stehen in keinerlei Zusammenhang. Noch darf man sagen, München hat 1,3 Millionen Einwohner. Noch sagt man nicht Einwohnerinnen- und Einwohnermeldeamt, das ist gar nicht durchführbar.

Pfarrer Leibrock: „Die Einwohnenden“ kommt demnächst!

Schneider: Ein Bedürfnis der deutschen Sprachgemeinschaft, dies zu tun, gab und gibt es nicht. Ein Bedürfnis deutscher Schriftsteller und deutscher Journalisten gab und gibt es auch nicht. Es war eine ungeheure geschickte PR-Kampagne einer Gruppe militanter Feministinnen, die diese Sprache durchgesetzt haben. Meine Behauptung ist: Das ist 90 Prozent der Deutschen völlig egal.

Pfarrer Thomas Seidel aus Erfurt: Am Verrücktesten wird es bei „Christinnen und Christen“, das gibt es in der Tat. Christ steht allerdings als Synonym zu Mensch und ist nicht biologisch zu verstehen. Mir hat Katrin Göring-Eckardt mal gesagt: „Ich sehe das auch so, aber man muss das heute so sagen.“ Das ist das Verrückte: Man muss das heute ebenso sagen – auch ohne Sachgrund.

Leibrock: Ich finde diese Sprache nicht ganz verkehrt, wenn sie den Sprachfluss nicht zerstört. Das tut es sehr oft.
Ich arbeite jetzt in einem Bildungswerk; wir haben ein Veranstaltungsheft, und da kommen in jeder Veranstaltung fünf Berufsgruppen vor. Wir brauchen in der Vorschau doppelt so viel Platz, wenn wir jedes Mal die weibliche und männliche Form nutzen.
Ich habe ich meinen Mitarbeiterinnen gesagt: „Das ist absolut unverständlich, das kann ich nicht mittragen.“

Schneider: Stellenbeschreibung im Norddeutschen Rundfunk: „Der Intendant/ die Intendantin benennen seinen Stellvertreter/seine Stellvertreterin bzw. ihren Stellvertreter/ihre Stellvertreterin“ – das ist ein Satz der deutschen Sprache, der Unsinn ist. Dieser Unsinn hat abgeschafft zu werden!

Leibrock: Es ist aber auch eine Geschichte der Emanzipation – und die ist auch gut. Dass Frauen gleichberechtigt sind, das ist das Ziel hoffentlich aller; das Ziel ist noch nicht erreicht, wir sind da noch in einem Prozess. Insofern finde ich es nicht verkehrt und auch nicht anstrengend – eben wenn man den Sprachfluss nicht zerstört. Mir kommt es locker über die Lippen: „Die Predigerinnen und die Prediger“ – ich habe damit kein Problem und finde das auch nicht so verkehrt.

Schneider: Ich höre das mit wachsendem Misstrauen, dass es bereits Leute gibt, denen das locker über die Lippen geht. Ich dachte, sie hätten sich wenigstens einen Rest von Widerwillen bewahrt.

Leibrock
: Sie müssen es nur üben, Herr Schneider, wie guten Stil. Ich bin Mitglied einer Körperschaft und muss da auch gewisse Spielregeln anerkennen. Da gibt es auch Richtlinien, wie wir Texte schreiben – da können wir nicht einfach so schreiben, wie wir wollen. Sie, Herr Schneider, sind ein freier Mensch: Sie können schreiben, wie sie wollen,

Die Stadt Halle hat es per Ratsbeschluss untersagt, nur die männliche Form zu nutzen…

Leibrock:: Die Universität Leipzig geht noch weiter: nur die weibliche Form – „Herr Professorin“.

Schneider: Schrecklich!

 

Das Interview erscheint am 10. Januar 2014 in der Thüringer Allgemeine; das komplette Interview „Luther Disput“ am 11. Januar.

12 Kommentare

  • Dann möchte ich gerne das erste begeisterte Ausrufezeichen unter diese Thesen setzen.

  • Ich vermute und befürchte, dass aus dieser Übung auch der Missbrauch des „Es“ im Zusammenhang mit „Braucht“ entstand, damit man „man“ vermeidet, das in diesen Kreisen gern auch fälschlicherweise mit doppelten n geschrieben wird.
    Ein Beipiel:
    „Um derart merkbefreit sprechen zu können, braucht man eine gehörige Portion geistiger Unbedarftheit“, nennt die Sprachpolizei jetzt „Um derart merkbefreit zu sprechen zu können, braucht es eine gehörige Portion geistige Unbedarftheit.“
    Wahrscheinlich vermeidet Frau Schwarzer das arme „es“ und „braucht“ in die, dafür einzig korrekte Form zu setzen, weil es wahrscheinlich die geistige Auffassungsgabe ihrer Leserschaft zu sehr herausfordern könnte: „Um derartiges schmerzfrei sprechen zu können, bedarf es einer gehörigen Portion geistiger Unbedarftheit“, wäre korrekt.
    Dies versteht natürlich kein Leser dieser BILD-Autorin. Entschuldigung! Auch für der/die BILD- Leser/in braucht es eine einfache Sprache.

    Ist inzwischen irgendjemand / irgendjefrau schlecht geworden?
    Dann viel Spaß beim Üben. „Es“ wird schon gehen. Viele plappern uns schreiben schon so.

    • Meine Satz- und Schreibfehler sind unbeabsichtigt. Es braucht ein Korrektor/Korrektorin oder umgekehrt… 😉

  • Herr Schneider, schließen Sie Frieden!

    Der ehrenwerte Herr Schneider zieht in den Sprachkrieg und rasselt mit dem Säbel – dabei klappert doch nur ein Füllfederhalter. Der frühere Chef der Henri-Nannen-Journalistenschule hat der gendergerechten Sprache den „Krieg erklärt“, wie er im Luther-Disput der Thüringer Allgemeinen verkündet. Schneider ist ein Großmeister der Sprachkritik, doch hier hat er sich verrannt. Wer schreibt, sollte nicht nur schön schreiben, sondern auch klar.

    Wer von Lesern schreibt und meint, man müsste Leserinnen nicht erwähnen, weil sie jeder und jede mitdenkt, der irrt. Das mag, oh Schauder, tatsächlich daran liegen, dass das generische Maskulinum – der Leser steht auch für die Leserin – nicht zuletzt deshalb schwächelt, weil feministische Sprachkritik es mit den LeserInnen, Leser/innen oder Lesern und Leserinnen aushebelt. Denn wenn gendersensibel immer häufiger beide Geschlechter ausdrücklich erwähnt werden, wird zunehmend angenommen, dass die männliche Form tatsächlich nur Männer meint.

    Allerdings hat dies nur das ursprüngliche Phänomen verstärkt. Denn die im Dunkeln sieht man nicht, wie Brecht schreibt, und was unerwähnt bleibt, wird weniger bedacht. Was aber sichtbar werden soll, braucht das Licht der Erwähnung.

    Falls jemand in wissenschaftlichen Texten einen Gedanken an sprachliche Präzision verschwendet, wird die Hälfte der Menschheit gern in einer Fußnote versenkt. Da heißt es am Anfang einer wissenschaftlichen Arbeit etwa, mit den genannten Lesern seien Leserinnen mitgemeint. Dabei ist es völlig weltfremd anzunehmen, per Fußnote ließe sich das Verständnis eines Textes drehen.

    Macht es einen Unterschied, wenn man die einen bittet, berühmte Sportler zu nennen, und die anderen, berühmte Sportler und Sportlerinnen? Ja, die Antworten fallen jeweils deutlich anders aus, wie die Forschung belegt (Heise 2000, Stahlberg und Sczesny 2001, Klimmt, Pompetzki und Blake 2008).

    Insofern stärkt eine Sprache, die Männern und Frauen gerecht wird, nicht nur die Gleichberechtigung, sondern ihre eigene Leistungskraft. Dafür ist sie gerade nicht zu verhunzen durch Kunstworte wie LeserIn, sondern schöpferisch weiterzuentwickeln.

    Es wäre ein Segen, wenn sich ein wortgewandter Mann wie Wolf Schneider daran beteiligte, statt auf seine alten Tage noch in den Krieg zu ziehen.

    Thomas Hestermann, Hannover

  • Mir fehlt in solchen Diskussionen das Augenmaß, ähnlich wie schon beim „#Aufschrei“. Am Anfang steht ein tatsächliches Problem. Die angeblichen Lösungen sind dann aber ärger als das Problem selbst. Schneider nennt solche Beispiele.
    Ja, das generische Maskulinum kann ausschließen. Deshalb aber stets und ständig neutrale Formen zu wählen oder die weibliche Form immer zusätzlich zu nennen, ist in den seltensten Fällen angemessen. Kaum eine Politiker-Rede, die ohne die „Parteifreunde und Parteifreundinnen, Bürger und Bürgerinnen“ auskäme. „Verbrecher und Verbrecherinnen“, „Steuerhinterzieher und Steuerhinterzieherinnen“ hört und liest man dagegen nie. Wohl auch deshalb nicht, weil ein militanter Feminismus behauptet, Sprache tue Frauen Gewalt an. Damit stellt er (darf Feminismus überhaupt männlich sein? Skandal!) Vergewaltigung und Wortwahl auf eine Stufe. Deshalb plädiere ich für Einzelfall-Entscheidungen und gesunden Menschenverstand.

  • In dem Interview zitiert Herr Pfarrer Thomas Seidel aus Erfurt: Am Verrücktesten wird es bei „Christinnen und Christen“, das gibt es in der Tat. Christ steht allerdings als Synonym zu Mensch und ist nicht biologisch zu verstehen. Mir hat Katrin Göring-Eckardt mal gesagt: „Ich sehe das auch so, aber man muss das heute so sagen.“ Das ist das Verrückte: Man muss das heute ebenso sagen – auch ohne Sachgrund.
    Dies war für mich Anlas genug, Frau Göring-Eckardt folgenden Brief zu schreiben:

    Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
    den anstoss für dieses Schreiben habe ich durch einen Internetauftritt, in dem Sie zitiert werden: http://www.journalismus-handbuch.de/wolf-schneider-uber-geschlechter-gerechte-sprache-ich-habe-ihr-offentlich-den-krieg-erklart-4665.html
    Als Gründungsmitglied von B90/DG in Sachen-Anhalt habe ich leider schon in den frühen 90igern die Verballhornung der Sprache durch übereifrige Mitglieder/innen erfahren dürfen. Damals 1993/94 habe ich das höchst lächerlich gefunden und nichts darauf gegeben. Dass sich diese ideologisch bestimmte Sprache einmal durchsetzen wird, hätte ich nie für möglich gehalten. Genauso wie es heute kein vernünftiger Mensch mehr für möglich hält, dass die von der SED vorgegebene „materialistische Weltanschauung“ von der Bildungs-Elite der DDR nicht nur nachgeplappert wurde sondern mit Nachdruck und unter Androhung von Sanktionen an die nächste Generation weitergegeben wurde. An welchem Punkt der Entwicklung einer Sprach-Ideologie sind wir eigentlich heute angekommen? Ich denke, dass wir mindestens schon an dem Punkt angelangt sind, wo gendergerechtes „Neusprech“ eine Voraussetzung für die Aufnahme in bestimmte Gruppen und Kollektive darstellt, damit auf keinen Fall die Harmonie der politischen Korrektheit in Gefahr gerät. Ganz nach dem Motto einer meiner beruflichen Bewerbungen in der DDR: Eigentlich wollten wir mit einem neuen Mitarbeiter unsere Parteigruppe stärken! Und wie weit ist es dann eigentlich noch mit der Androhung von Sanktionen, wenn nicht regelmäßig das „innen“ oder die Partizipform „enden“ verwendet werden? Wird man bei Verweigerung des politisch korrekten „Neusprech“ etwa schon als Rechter oder gar als Neonazi angesehen? Über ein Antwort würde ich mich freuen. Noch mehr würde ich mich allerdings über ein gründliche Diskussion dieses Themas, am besten durch Sie persönlich angestossen, freuen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Gerhard Ruden

  • […] Medienkongress im Januar. Dort bekamen bibeltreue Christen zu hören, was Schneider beim “Luther-Disput” in Erfurt am 4. Advent schon ausgeführt hatte: Alice Schwarzer und ein kleiner Klüngel von […]

  • Sehr bedauerlich ist bei den Äußerungen des Herrn Schneider, der als „Sprachpapst“ gehandelt wird und mit seinen teils recht sinnvollen und kenntnisreichen Büchern Generationen von Journalisten wie Journalistinnen Wissen mitgegeben hat, von deutscher Grammatik nicht viel zu verstehen scheint. Das angebliche Verwechseln von natürlichem Geschlecht mit grammatischem ist ein ebenso beliebter wie dümmlicher Vorwurf an die, die
    sich um sprachliche Gerechtigkeit bemühen. („Die Züge und Züginnen“). Das hat mit dem wirklichen Anliegen nichts zu tun. Auch nur oberflächliche Kenntnis nicht einmal besonders neuer Forschungen der Psycholinguistik könnten helfen, den Gegenstand intellektuell zu erfassen. Polemische Verdrehungen und die Verwendung des Begriffs „Krieg“ in diesem Zusammenhang sind nicht geeignet, gute Lösungen für das längst überfällige Problem der überwiegenden Nichterwähnung der Hälfte der Bevölkerung in der deutschen Sprache zu finden. Weniger Schaum vor dem Mund, dafür mehr Kenntnis der Sprachwissenschaft und Offenheit für gesellschaftliche (und überfällige) Veränderungen stünden einem angeblichen Großmeister des Journalismus besser zu Gesicht. Herr Schneider könnte seine Energie in das Finden von fairen und sprachlich-ästhetisch akzeptablen Lösungen stecken statt in das Kriegs-Gerassel. Eine interessante Wortwahl ohnehin: Ein Krieg gegen das Vorhaben, auch in der Sprache mehr Gerechtigkeit zu üben?

    • Mich würden die neuen Forschungen der Psycholinguistik interessieren!

  • Anmerkung: Vor Pauschalisierungen zum generischen Femininum der Universität Leipzig wäre es sinnvoll, sich über dieses zu informieren.

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