Zwangsheirat gab es auch in Deutschland vor 200 Jahren (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 1. November 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 1. November 2014 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

Boko Harem, die islamistische Terror-Armee, hat 200 nigerianische Mädchen entführt und zwangsverheiratet – so eine Meldung vom Wochenende. Wir lesen mit Abscheu neue Wörter wie „zwangsverheiraten“ und würden sie am liebsten gleich auf dem Friedhof der Wörter beerdigen.

Doch so neu ist das Wort nicht, es taucht schon in alten Wörterbüchern auf wie dem der Brüder Grimm. Sie erwähnen den deutschen Dichter Jean Paul, der im Weimar der Goethe-Zeit als Frauenheld mehr von sich reden machte als durch seine Werke.

Als er endlich heiratete und Weimar gen Berlin verließ, entstand der 900-Seiten-Wälzer „Titan“, in dem er vehement gegen die Männer-Ansicht polemisierte: Neigungsehen fallen oft schlecht und Zwangsehen oft gut aus. 

Wer so denke, schreibt der Dichter, handle wie alle barbarischen Völker, die nur an das Glück des Mannes denken und nicht die „weiblichen Seufzer hören und zählen“:

Wie niedrig ist ein Mann, der verlassen vom eigenen Wert, eine Frau in ein langes kaltes Leben wegschleppt und sie in seine Arme wie in frostige Schwerter drückt. Diese Seeleneinkäufer erpressen vom bezwungenen Wesen noch zuletzt das Zeugnis der Freiwilligkeit.

Es ist also gerade mal zweihundert Jahre her, dass „zwangsverheiraten“ in Thüringen zum Wortschatz zählte und die Zwangsheirat, nicht selten mit Gottes Segen, keine Erzählung war aus Tausendundeiner Nacht.  

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 3. November 2014

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