Zwei Wörter, die nach 133 Jahren aus dem Duden verschwinden (Friedhof der Wörter)
Wissen Sie, was eine Dragonade ist? Oder nutzen Sie noch das Wort „vetterlich“?
Wenn Sie die beiden Wörter weder kennen noch nutzen, dann könnten Sie in der Duden-Redaktion arbeiten – in der Abteilung „Wörter-Friedhof“. Diese zwei Wörter haben gemeinsam: Sie tauchen im neuen Duden nicht mehr auf – nach 133 Jahren als Teil des deutschen Wortschatzes.
Schon im ersten Duden, in Leipzig 1880 gedruckt, kamen die Wörter vor und wurden in diesem Sommer auf dem Friedhof der Wörter begraben. Wir weinen ihnen keine Träne nach.
Oder doch? Wenn wir eine Träne kullern lassen, dann für das „vetterlich“. Bismarck, der Eiserne, schrieb an seine Braut: „Wir dürfen unser in vetterlicher Liebe gedenken.“ Allerdings – ein wenig mehr als „vetterlich“ darf die Gattin schon erwarten.
Vetterliche Liebe gibt es nicht. Vettern sind bestenfalls nett. Der norddeutsche Dichter Theodor Storm, kurze Zeit auch Richter in Heiligenstadt, schrieb: „Im Haus meines Onkels war ich mit dessen einziger Tochter Gertrud ich vetterlich und kameradschaftlich aufgewachsen.“ So ist es nett und sittsam.
Und die Dragonnade? Das Wort könnten die Erfurter noch in ihren Geschichten aufbewahren: Sie hatten, so sie Luthers Lehre anhingen, in der Zeit der Mainzer Herrschaft viel zu leiden – wenn auch nicht so schlimm wie die Hugenotten im Süden Frankreich.
Dort ließ der Sonnenkönig die Protestanten von Dragonern verfolgen und ihre Frauen vergewaltigen: Dragonaden, so ist in Grimms Wörterbuch zu lesen, ist auch „jede durch Soldatengewalt ausgeführte Regierungsmaßregel“.
Dass solche Wörter verschwinden, zeigt uns: Die Zeiten sind friedlicher geworden, bei uns jedenfalls. Wir können auf Dragonaden in jeder Hinsicht verzichten.
Thüringer Allgemeine 29. Juli 2013
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Die Vetternwirtschaft ist leider geblieben – ganz unabhängig im Duden.
Anton Sahlender, http://www.mainpost.de/leseranwalt
…. muss heißen „…. unabhängig vom Duden.“ Anton Sahlender
Die Vetternwirtschaft steht noch drin im neuen Duden. Im ersten Duden sucht man vergebens danach, dabei war im Kaiserreich die Vetternwirtschaft ein Teil des Systems.
Lohnenswert ist ein Blick in das Kinder-Lexikon der Bundeszentrale(Hanisauland), in dem Gerd Schneider und Christiane Toyka-Seid zur Vetternwirtschaft folgende Geschichte erzählen:
„Angenommen, du bist Kapitän der Fußballmannschaft eurer Schule. Der Platz einer Stürmerin ist noch frei. Es bieten sich zwei oder drei Mitschüler und Mitschülerinnen an, die ganz gut sind. Du bist dafür, dass dein Bruder mitspielen darf. Der ist zwar nicht so gut wie die anderen, aber er ist dein Verwandter und du bist ihm vielleicht einen Gefallen schuldig. Oder er tut dann immer brav, was du willst, auch außerhalb des Fußballplatzes. Den anderen in der Mannschaft passt das nicht, aber weil du der Chef bist, setzt du dich durch. In der Umgangssprache bezeichnet man dein Verhalten als „Vetternwirtschaft“.“
Das ist das Beispiel für die Vetternwirtschaft. Verbunden wird es mit dem Beispiel des Bürgermeisters, der dafür sorgt, „dass seine Verwandten und Freunde gute Posten bekommen“. Beispiele aus der CSU kommen nicht vor, aber den Hinweis:
„Vetternwirtschaft“ ist zwar nicht direkt verboten, aber langfristig ist es sicher ein unkluges Verhalten.“
Dann folgt noch ein Ausflug in die Geschichte:
„Im Mittelalter gab es Könige, die ihre Enkel, Neffen oder sonstige Verwandten mit guten Posten versorgten. Der Grund ist klar: Der König rechnete damit, dass ihm die Verwandten aus Dankbarkeit besonders ergeben waren. Damals wurde der Begriff „Nepotismus“ geprägt. Das kommt vom lateinischen Wort „nepote“, das „Neffe“, „Enkel“, „Vetter“ oder „Verwandter“ bedeuten kann. Im Deutschen wurde dann die „Vetternwirtschaft“ daraus.“